Teaching Library

Ähnlich wie im Fall der Termini „Digital Library“ oder „Virtual Library“ wurde das Konzept der „Teaching Library“ aus dem angloamerikanischen in den deutschen bibliothekarischen Sprachgebrauch eingeführt, um damit sämtliche Aktivitäten der Bibliotheken auf dem Gebiet der Förderung von Informations-, Medien-, Datenkompetenz sowie weiterer Fähigkeiten im Umgang mit analogen und digitalen Medien pointiert zu umschreiben. 

Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Teaching Library vor allem im wissenschaftlichen, weniger im Öffentlichen Bibliothekswesen präsent, einhergehend mit der Übernahme des Information-Literacy-Konzepts aus dem angloamerikanischen Raum. Dort spricht man von einer Teaching Library, wenn eine Bibliothek die Library Education und die Kompetenzförderung aktiv betreibt, um Studierende gezielt an die Bibliotheks-, Medien- und Informationsnutzung herabzuführen. In Deutschland existierten zwar – verstärkt in den 1970er Jahren und im Zusammenhang mit der Entstehung von Massenuniversitäten – bereits Bibliothekseinführungen, jedoch waren diese nicht in einen pädagogisch ausgerichteten Kontext, wie ihn die Teaching Library darstellt, eingebunden, sondern eher punktuelle, anlassbezogene Veranstaltungen, zum Beispiel für Studienanfänger*innen. Erst mit dem Aufkommen der Informations- und Medienkompetenz als Bündel grundlegender Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Information und Medien (s. Handbuch Informationskompetenz 2012 u. 2016), vor allem auch angesichts der digitalen Transformation, sodann des Bologna-Prozesses, begriffen die Bibliotheken sich zunehmend als kontinuierliche Orte des Lehrens und Lernens (vgl. Lux/Sühl-Strohmenger 2004; Sühl-Strohmenger 2012; Franke 2014; Sühl-Strohmenger 2018).

Text: Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger

Bereits seit längerem bieten wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland und Österreich ein vielfältiges Spektrum an Einführungs-, Schulungs- und Kursangeboten zur Förderung von Bibliotheksnutzungs-, Informations- und Medienkompetenz an, teilweise schon mit curricularer Einbindung in das Studium, sodann mit lernförderlichen Raumgestaltungen, wie sie heute immer stärker in die Bau- und Umbauplanungen von Bibliotheken einfließen. Herkömmliche Nutzungsbereiche der Bibliothek wandeln sich zu Lernzentren bzw. zu Coworking Spaces, die Teaching Library greift also weit über ein bloßes Veranstaltungsangebot der Bibliothek hinaus. Das Bibliothekspersonal muss dazu – angesichts der erheblichen Anzahl zu schulender Lernender – methodisch-didaktisch qualifiziert werden.

Verschiedene Untersuchungen, wie beispielsweise die „SteFI“-Studie im Jahr 2001, die sich mit der Nutzung elektronischer Fachinformation durch Studierende befasste, aber auch neuere lokale Nutzerstudien, haben erbracht, dass die Mehrzahl der Studierenden den Internetsuchmaschinen deutliche Priorität bei der Informationsrecherche einräumt, dass demgegenüber die Bibliotheksangebote (Kataloge, Datenbanken, Volltexte usw.) häufig nicht bekannt sind und dass die Fertigkeiten im Umgang mit elektronischer Fachinformation vielfach nicht systematisch, sondern autodidaktisch erworben werden.

Speziellere Befragungen zum Informationsverhalten von Wissenschaftler*innen haben darüber hinaus ergeben, dass diese angesichts der wachsenden und immer schwerer zu überblickenden Informationsmengen ebenso Defizite auf dem Gebiet der Informationskompetenz einräumen, außerdem Bedarf an Kompetenzen auf neuen Gebieten wie dem Forschungsdatenmanagement und dem elektronischen Publizieren äußern. Sie selber und auch Institutionen wie der Wissenschaftsrat empfehlen im Übrigen, dass auch die Hochschulbibliotheken sich verstärkt der Aufgabe widmen sollen, die Informationskompetenz der Studierenden und auch der Wissenschaftler*innen, ferner der Schüler*innen in Klasse 12 sowie der interessierten Öffentlichkeit zu entwickeln und zu fördern.

Die Teaching Library ist in vielen wissenschaftlichen Bibliotheken bereits Wirklichkeit geworden. Nach der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) realisieren mittlerweile fast alle Hochschulbibliotheken Kurse und Einführungen zur Informationskompetenz in steigendem Umfang, sowohl zeitlich als auch personell. Dem Marketing für ihre Angebote der Kompetenzförderung räumen viele Hochschulbibliotheken einen hohen Stellenwert ein. Auf der Homepage treten die Bibliotheksveranstaltungen zunehmend markant in Erscheinung, und auch im Vorlesungsverzeichnis sind sie vielfach aufgeführt.

Auf regionaler und nationaler Ebene haben sich die Bibliotheken auf eine verstärkte Zusammenarbeit verständigt und jeweils regionale Arbeitsgruppen zur Informationskompetenz ins Leben gerufen, die unter dem Dach von www.informationskompetenz.de verbunden sind. Die gemeinsam von dbv und VDB gegründete Kommission „Informationskompetenz“ gibt vielfältige Empfehlungen und Impulse zu allen zentralen Aspekten der Förderung von Informationskompetenz im Rahmen des deutschen Bibliothekswesens.

Nach dem Vorbild der wissenschaftlichen Bibliotheken in den Vereinigten Staaten, in Australien und Neuseeland sollen die Kursangebote der Teaching Library an Standards der Informationskompetenz ausgerichtet sein, beispielsweise nach dem Vorbild der Standards bzw. des Framework for Information Literacy for Higher Education der ACRL (American Cooperation of Research Libraries), allerdings nicht schematisch oder starr, denn der prozesshafte und zirkulär-rekursive Charakter des Umgangs mit Information und Medien erfordert flexible Ansätze, einschließlich des kritischen Reflektierens über die eigene Informationskompetenz in ihrer Mehrdimensionalität (Metaliteracy). Beschrieben werden vor allem die Phasen der Informationsbedarfserkennung, des Zugangs zur Information, der Bewertung, der effizienten Verwendung sowie der Berücksichtigung ökonomischer, rechtlicher und ethischer Aspekte der Information bzw. ihrer Nutzung. Bei der Konzeption eines Kursangebots zur Förderung von Informationskompetenz orientieren sich Bibliotheken in Deutschland an dem Modell der Big6 Skills von Eisenberg/Berkowitz. 

Das Veranstaltungsangebot umfasst auf der grundlegenden Stufe vor allem Bibliothekskompetenzen wie Einführungen in den Katalog, in die Medienkunde, die Buchausleihe, die Präsenzbenutzung. Auf der Vertiefungsstufe werden Einführungen in die Aufsatzrecherche mithilfe von Fachdatenbanken, in den Umgang mit E-Journals und E-Books sowie in die Möglichkeiten und Grenzen der Internetsuchmaschinen angeboten. Ergänzt wird dieses inhaltliche Spektrum vielfach durch Übungen zum wissenschaftlichen Schreiben, insbesondere zum korrekten Zitieren, zu rechtlichen Rahmenbedingungen der Informationsnutzung, ferner zur Informationsverarbeitung mit Literaturverwaltungssystemen und zum Hervorbringen neuer Information (Schreiben, Publizieren, Kommunizieren). Unterstützt oder auch partiell ersetzt werden solche Präsenzveranstaltungen der Teaching Library durch Online-Tutorials, durch Lernvideos oder durch E-Learning-Module, die zunehmend auf gängigen Lernplattformen (ILIAS, Moodle usw.) verfügbar sind.

Getragen wird das Lehrangebot der Bibliothek von den Fachreferent*innen und von den Bibliothekar*innen der Informationsabteilungen, teilweise aber auch der Zweigbibliotheken, in steigendem Ausmaß auch durch neu geschaffene Referate für Informationskompetenz (Teaching Librarians). Die Veranstaltungsformen erstrecken sich auf die Bibliotheksführung, kombiniert mit praktischen Übungen, auf die vorlesungsähnliche Einführung für Großgruppen, auf den Kurs mit Workshop-Charakter, auf die Semester- oder auf die Blockveranstaltung. Vielfach orientieren sich die Lehrveranstaltungen der Teaching Library an den Erkenntnissen der neueren Hochschul- bzw. der Unterrichtsdidaktik, die den aktivierenden Verfahren mit wirksamer Medienunterstützung, einschließlich selbstgesteuerter E-Learning-Lernphasen, den Vorzug vor den ausschließlich inputorientierten Lehrmethoden geben. Eine Bibliotheksdidaktik, die diese Anforderungen auf lerntheoretischer Basis reflektiert und in ein differenziertes Rahmenkonzept für die Veranstaltungsplanung einmünden lässt, wurde von Hanke u. Sühl-Strohmenger (2015) publiziert. Die räumlich-technische Infrastruktur der Teaching Library hat sich in den wissenschaftlichen Bibliotheken deutlich verbessert, denn heute stehen vermehrt Vortrags-, Schulungsräume bzw. -plätze und auch gut ausgestattete Lern-(Ressourcen)Zentren für das selbstgesteuerte Lernen zur Verfügung.

Die Einführungen und Kurse der Teaching Library sind in einigen Hochschulen fest in das Curriculum eingebunden, insbesondere im Kontext der neuen Bachelor- und Master-Studiengänge, jedoch besteht hier noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Informations- und Medienkompetenz fallen unter die für den Bachelorabschluss wichtigen Schlüsselqualifikationen, so dass die Hochschulbibliothek sich als zentraler Lehr- und Lernort für diese Kompetenzen profilieren kann. Neben den bislang erst vereinzelten intercurricularen Modellen existieren jedoch vorwiegend die extracurricularen (fakultativen) und die intracurricularen Angebotsformen der Teaching Library.

Letztere sind eingebettet in andere Lehrveranstaltungen des Fachs und umfassen eine oder zwei Lehreinheit(en) von vielfach 90 bis 180 Minuten Dauer. Angesichts der knappen Zeit- und Personalkapazitäten an den meisten Hochschulbibliotheken gewinnt die Form der intracurricularen Einbindung von Angeboten der Teaching Library durchaus an Attraktivität, zumal dadurch auch der lernpsychologischen Erkenntnis Rechnung getragen wird, dass Übungen zur Informationskompetenz möglichst themen- und interessennah angesiedelt sein sollten. Zeitlich konzentrierte Formate wie Coffee Lectures stoßen in den Hochschulbibliotheken auf steigende Resonanz. Neuerdings bieten wissenschaftliche Bibliotheken – manchmal flankierend zum bestehenden Einführungs- und Kursangebot – einen nachfrageorientierten Beratungsservice an oder konzentrieren sich auf das Kuratieren von Lern- oder Wissensräumen.

Text: Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger

Seit dem PISA-Schock in Deutschland sind die Öffentlichen Bibliotheken intensiv engere Kooperationen mit Schulen eingegangen und haben sich auch als Bildungspartner für alle Altersgruppen der Bevölkerung etabliert.

Neben vielen Aufgaben als Bildungspartner (Lernort Bibliothek, Lebenslanges Lernen) haben sich die Öffentlichen Bibliotheken vor allem im Bereich der Vermittlung von Informations- und Recherchekompetenz an Schülerinnen und Schüler weiterentwickelt (www.schulmediothek.de). Hierfür gehen die Öffentlichen Bibliotheken enge Kooperationen mit den Schulen ein. Sie bieten den Schulen vielfältige Angebote, Veranstaltungen und Schulungen zu Themen wie z.B. „Suchmaschinennutzung“, „Recherche in Datenbanken“, „Medienkritik in der Nutzung von Internetquellen“ und „Medienkompetenz“.

Bei der Auswahl der Themen und der Gestaltung der Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler orientieren sich die Öffentlichen Bibliotheken an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz und an den Bildungsplänen der einzelnen Bundesländer. Die Lehrkräfte sind an diese Anforderungen gebunden. So werden die Angebote der Öffentlichen Bibliothek als sinnvolle Ergänzung und Erweiterung zum unterrichtlichen Geschehen gesehen.

Die Öffentlichen Bibliotheken verbinden die Inhalte, die in den Schulen unterrichtet werden mit dem bibliothekspädagogischen Spiralcurriculum. Mit diesem „Lehrplan für Informations- und Recherchekompetenz in und mit Bibliotheken“ begleiten die Öffentlichen Bibliotheken Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zum Schulabschluss der weiterführenden Schule.

So erwerben die Schülerinnen und Schüler nicht nur wichtige Kompetenzen im (kritischen) Umgang mit Informationen, sondern können ihre Informationskompetenz auch im Referenzrahmen Informationskompetenz einordnen und bewerten. Der Referenzrahmen teilt Informationskompetenz (angelehnt an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen) in 6 Niveaustufen von „elementaren“ bis zu „nachhaltigen“ Kompetenzen ein.

Öffentliche Bibliotheken haben ihre Angebote in den letzten Jahren einer deutlichen Frischzellenkur unterzogen. Bibliothekspädagogik als eigenes Fachgebiet schult die Kolleginnen und Kollegen in den Bibliotheken für pädagogische und didaktische Aufgaben. Öffentliche Bibliotheken machen Nutzerinnen und Nutzer genauso wie Schülerinnen und Schüler fit für die heutige digitale Wissensgesellschaft, in der Informationskompetenz (als neue Basiskompetenz neben Lesen, Schreiben und Rechnen) ein grundlegender Schritt zur Teilhabe an der modernen Informationsgesellschaft ist.

Text: Kathrin Reckling-Freitag

Die Teaching Library dürfte aufgrund der durch Bildungsberichte, Lehrplan- und  Studienreformen günstigen Rahmenbedingungen, aber auch wegen der unbestrittenen Bedeutung, die den Schlüsselqualifikationen Informations- und Medienkompetenz für das lebenslange Lernen zukommt, gute Realisierungschancen [auch] im deutschsprachigen Raum haben.

Allerdings bedarf es, angesichts knapper Personal- und struktureller Ressourcen, des verstärkten Einsatzes von E-Learning-Konzepten sowie der methodisch-didaktischen Fortbildung des Bibliothekspersonals. Zudem sind die nutzerorientierten Serviceangebote zur Unterstützung des eigenständigen Lernens in virtuellen wie physischen Bibliotheks- und Informationsräumen auszubauen.

Hilfreich im Zusammenhang dieser Bestrebungen ist die Vernetzung der betreffenden Aktivitäten auf regionaler, nationaler und auch internationaler Ebene. 
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat im November 2012 eine wichtige Entschließung zur Informationskompetenz an den Hochschulen verabschiedet. Diese hat Impulse für die Erweiterung des Verständnisses von Informationskompetenz über die Gruppe der Studierenden hinaus auf die wissenschaftliche Forschung und die Governance (Hochschulleitung) geliefert, die nun konkretisiert und realisiert werden müssten.

Text: Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger

Franke Fabian: Aufgaben und Organisation der Teaching Library. In: Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Hrsg. von Rolf Griebel u. a. Bd. 1. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2014, S. 495–512.

Hanke, Ulrike u. Wilfried Sühl-Strohmenger: Bibliotheksdidaktik. Konzepte zur Förderung von Informationskompetenz. Berlin, Boston: de Gruyter Saur, 2015 (Bibliotheks- und Informationspraxis. 58).

Holländer, Stephan, Wilfried Sühl-Strohmenger u. Ludger Syré (Hrsg.): Hochschulbibliotheken auf dem Weg zu Lernzentren. Beispiele aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter Mitarbeit v. Martina Straub. Wiesbaden: b-i-t-verlag 2021 (b.i.t.online Innovativ; Bd. 80).

Lux, Claudia u. Wilfried Sühl-Strohmenger: Teaching Library in Deutschland. Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz als Kernaufgabe für Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken. Wiesbaden: Verlag Dinges & Frick 2004 (B.I.T. online –Innovativ; Bd. 9).

Reckling-Freitag, Kathrin: Bibliothekspädagogische Arbeit. Grundlagen für MitarbeiterInnen in (Schul-)Bibliotheken. Schwalbach/Ts.: Debus Pädagogik Verlag 2017.

Sühl-Strohmenger, Wilfried: Dimensionen der Learning und Teaching Library. In: Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Hrsg. v. Richard Stang u. Konrad Umlauf.  Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2018 (Lernwelten), S. 57–69.

Sühl-Strohmenger, Wilfried (Hrsg.): Handbuch Informationskompetenz. Unter Mitarbeit v. Martina Straub. Berlin, Boston: De Gruyter Saur 2012 [2., überarb. u. erw. Aufl. 2016.]

Sühl-Strohmenger, Wilfried: Teaching Library. Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012 (Monographien zu Bibliothek, Forschung und Praxis, Bd. 1).

Redaktion und Kontakt
Texte: Einführung, Teaching Library in Wissenschaftlichen Bibliotheken, Perspektiven der Teaching Library
Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger
Text: Teaching Library in Öffentlichen Bibliotheken
Kathrin Reckling-Freitag

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